Prof. Dr. Dr. Frank Schneider ist Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Düsseldorf. Das Coronavirus rückt die Universitätskliniken in einem bisher nicht gekannten Maße in die Öffentlichkeit und stellt die Institutionen vor riesige Herausforderungen. 

Herr Prof. Schneider spricht mit der Wissensregion Düsseldorf über aussichtsreiche Medikamentenstudien am UKD, Ängste der Mitarbeiter/innen und Chancen, die er für das Gesundheitssystem in der Krise sieht.

Das Uniklinikum Düsseldorf ist eines der wenigen Forschungsinstitutionen und Krankenhäuser, die an dem noch nicht zugelassenen Medikament „Remdesivir“ als mögliches Mittel gegen das neuartige Corona-Virus forschen. Was können Sie uns darüber berichten: Welche Tests führen Sie aktuell durch, wann ist mit ersten Ergebnissen zu rechnen?

Remdesivir ist aus Sicht unserer Infektiologen eines der vielversprechendsten Medikamente, welches gegen COVID-19-Erkrankungen eingesetzt werden kann, es ist aber dafür noch nicht zugelassen. Wir haben es bereits in wenigen ausgewählten Einzelfällen (als sogenannte individuelle Heilversuche) bei COVID-19-Erkrankungen eingesetzt. Aber der Anteil des Medikamentes Remdesivir an den individuellen Verläufen ist aus wissenschaftlicher Sicht derzeit nicht valide einzuschätzen. Für den Nachweis einer Wirksamkeit sind klinische Studien notwendig. Deshalb haben unsere Mediziner, zusammen mit den Klinikstandorten Hamburg und München, dazu klinische Studien begonnen, die aussagekräftige Daten für den klinischen Einsatz liefern sollen.

Gerade sind die ersten Patienten in die Studien eingeschlossen worden. Aufgrund der Bedeutung der Daten ist davon auszugehen, dass bald erste Ergebnisse vorgelegt werden können.

Remdesivir befindet sich damit in fortgeschrittener klinischer Erprobung, d.h. in sogenannten Phase-III-Studien. Dies sind die letzten Studien vor der Zulassung eines Medikaments. Aktuell sind bei uns 2 solcher Phase-III-Studien zum Einsatz von Remdesivir gestartet. Im Rahmen dieser Studien werden Patienten mit moderater und schwerer COVID-Erkrankung eingeschlossen. Gerade sind die ersten Patienten in die Studien eingeschlossen worden. Aufgrund der Bedeutung der Daten ist davon auszugehen, dass bald erste Ergebnisse vorgelegt werden können.

Weltweit gibt es noch weitere Studien zu diesem Medikament. Dabei zeigte sich eine Wirksamkeit gegen verschiedene Coronaviren (unter anderem MERS-CoV und SARS-CoV) im Zellkulturexperiment und im Tiermodell. In der Zellkultur konnte auch eine Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 gezeigt werden, so dass auf Basis dieser Daten eine Wirksamkeit beim Menschen gegen SARS-CoV abgeleitet bzw. vermutet wird.

Am 31.3. waren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Ministerpräsident Armin Laschet im UKD, um sich die Lage vor Ort anzusehen. Was waren die wichtigsten Gesprächsthemen?

Zunächst einmal ging es Ministerpräsidenten Laschet und Herrn Bundesminister Spahn darum, unseren Beschäftigten ihren Dank auszusprechen und mit einigen von ihnen persönlich zu sprechen. Das fanden wir ebenfalls sehr wichtig, denn wir sind sehr stolz auf das außerordentliche Engagement, das unsere Beschäftigten in der Krise zeigen. Ein besonderes Anliegen von Herrn Laschet und Herrn Spahn war es, den Medizinstudierenden zu danken, die sich bereits sehr zahlreich auf unsere Aufrufe gemeldet haben, um das Klinikum in der Notsituation zu unterstützen. Etwa 30 Medizinstudierende sind bereits jetzt schon in ganz verschiedenen Bereichen tätig, welche Herr Laschet und Herr Spahn auch besucht haben. Weitere Themen, die angesprochen wurden, waren die Erhöhung der Intensivkapazitäten im UKD, eine ausreichende Ausstattung mit Schutzkleidung und Beatmungsgeräten, unsere Forschungsaktivitäten und das weitere Vorgehen in der studentischen Lehre.

Welche Chancen sehen Sie nach überstandener Krise für das Gesundheitssystem insgesamt, aber auch für die Unikliniken im Speziellen, die jetzt öffentlich und politisch eine deutlich gesteigerte Wertschätzung und Bundesmittel zur Kooperation erhalten?

Genau dies erwarte ich: eine gesteigerte Wertschätzung, all derjenigen, die sich im Gesundheitswesen und in dieser schwierigen Zeit engagieren. Dies sind natürlich die Ärzte und Pflegekräfte, aber ebenso die Menschen, die drum herum alles am Laufen halten wie die Mitarbeiter im Einkauf, in der Apotheke, in der Küche, in der Wäscherei, die Reinigungskräfte und noch viele mehr. Sie arbeiten unter erschwerten Bedingungen und der Gefahr, selbst infiziert werden zu können. Ihnen allen gebührt unser Respekt und Dank. Eine schöne Geste ist, dass auf Balkons für Pflegekräfte geklatscht wird. Wir merken, wie dringend wir alle diese Unterstützungen brauchen. Wichtig ist, dass dies auch nach der Krise nicht vergessen wird. Die Chance besteht in einer Aufwertung dieser Berufe und damit einhergehend mit der Schaffung attraktiverer Arbeitsbedingungen, was flächendeckend von der Politik organisiert werden sollte.

In der Krise werden die drei zentralen Aufgaben der Universitätsmedizin wie unter einem Brennglas hervorgehoben: Die Krankenversorgung, die Lehre und die Forschung.

Was die Universitätskliniken betrifft, so sind diese in der aktuellen Situation besonders gefordert und spielen eine entscheidende Rolle. In der Krise werden die drei zentralen Aufgaben der Universitätsmedizin wie unter einem Brennglas hervorgehoben: Die Krankenversorgung, die Lehre und die Forschung.

In der Krankenversorgung sind wir als Uniklinik die Spezialisten für die schweren Erkrankungen und unterstützen beratend auch weniger erfahrene Kliniken der Region bei schwierigen Verläufen. Die ersten COVID-19-Patienten, bei denen schwere Lungenentzündungen zu einem kritischen Zustand geführt haben, wurden in Universitätskliniken verlegt. Um für einen möglichen Ansturm intensivpflichtiger COVID-19-Patienten gut gerüstet zu sein, sind wir dabei, unsere Intensivkapazitäten und Beatmungsplätze zur Behandlung von COVID-19-Patienten in einem Stufenprozess unter massivem Aufwand stark zu erhöhen. Gerade jetzt zeigt sich dabei auch, wie wichtig eine Vernetzung zwischen den verschiedenen Krankenhäusern ist, um Ressourcen abzufragen und koordinieren zu können.

Gleichzeitig wird auch der Aspekt der Lehre noch einmal auf eine ganz andere Weise an der Universitätsklinik beleuchtet. Unsere Medizinstudierenden bringen sich in der Krise voll mit ein und sind natürlich eine enorm wertvolle Ressource für unser Personal.

Und ganz besonderes Augenmerk liegt natürlich auf der Forschung. Die Pandemie macht sichtbar, dass die Unikliniken eine Keimzelle medizinischer Entwicklungen sind. Es sind die Unikliniken, an denen mögliche Medikamente, wie Remdesivir, in Studien getestet werden. Auch Forschungen zu Impfstoffen, zur Epidemiologie und zur optimalen Intensivbehandlung laufen bei uns und anderen Hochschuleinrichtungen. Die Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche und Fakultäten, die alle gemeinsam und im Austausch auf ein Problem schauen, fasziniert mich sehr. Auch die Vernetzung der Uniklinika untereinander im Bereich der Forschung ist enorm wichtig. Gerade gibt es ein 150 Mio. Euro-Förderprogramm des BMBF für den unverzüglichen Aufbau eines nationalen Forschungsnetzwerks der Universitätsmedizin zu COVID-19. Alle interessierten Universitätsklinika sollen Mitglied werden können, auch wir beteiligen uns an diesem Netzwerk, das eine enorme Chance für die Erforschung dieser Erkrankung darstellt. Denn gemeinsam können wir mehr bewegen. Also rücken wir in dieser Krise alle ein Stückchen näher zusammen und können diese Krise auch nur gemeinsam gut bewältigen. Diese Vernetzungen sollten wir auch nach überstandener Krise beibehalten und für eine optimale Patientenversorgung weiter nutzen. Vielleicht schaffen wir es dann sogar auch wieder, eine angemessene finanzielle Ausstattung und unbürokratische Abrechnungswege für Krankenhäuser zu realisieren.

Das UKD hat bereits vor der Krise nach ärztlichem und vor allem pflegerischem Personal gesucht, u.a. über Kampagnen im Brexit-England zur Anwerbung polnischer Fachkräfte. Reaktivieren Sie für den erwarteten Patienten-Ansturm auch pensionierte Kräfte? Und sind bereits Medizinstudierende frühzeitig im UKD im Einsatz?

Es ist eine große Solidarität unter den Mitarbeiter/innen spürbar. Viele Mitarbeiter in Teilzeit bieten an, ihre Stunden aufzustocken oder es kommen bereits viele ausgeschiedene Mitarbeiter ans UKD zurück. Das ist ganz toll. Dieses freiwillige Engagement ist enorm und sollte nicht durch Zwang ersetzt werden.

Es ist eine große Solidarität unter den Mitarbeiter/innen spürbar. Das ist ganz toll.

Außerdem haben wir am UKD Personalumschichtungen vorgenommen, so dass Fachkräfte aus derzeit weniger beanspruchten Bereichen – ihrer Eignung entsprechend – in anderen kritischen Bereichen aushelfen.

Auch die Unterstützung, die aus der Gruppe der Studierenden kommt, ist enorm. Als die Stadt Düsseldorf mit uns die Corona-Telefon-Hotline etablierte, hatten sich innerhalb weniger Stunden über 100 Medizinstudierende gemeldet, um die Hotline zu unterstützen. Inzwischen haben wir auch schon über 450 Medizinstudierende in unseren Listen, die im UKD helfen möchten.

Wir benötigen dringend jede helfende Hand im UKD, müssen aber natürlich ganz besonders auf die Qualifikation und Vorerfahrung achten. Wir setzen das zusätzliche Personal immer entsprechend dieser Vorkenntnisse ein. Wer als Studierender noch keine Erfahrung in der Pflege hat, kann uns dennoch an einer Hotline, in der Sterilgutversorgung oder der Wäscherei helfen.

Pensionierte Kräfte haben wir nicht reaktiviert, da sie in der Regel selbst zur Risikogruppe gehören.

Wie kann man sich das vorstellen, wenn Medizinstudierende, die aus der Vorlesung kommen und noch kein praktisches Jahr absolviert haben, nun gleich in eine, selbst für jede/n erfahrene/n Ärzt/in extreme Situation geworfen werden: Wie können Sie diese praktisch vorbereiten und anleiten?

Die derzeitigen Umstände an sich sind für alle sehr belastend und stellen eine absolute Ausnahmesituation dar. Wir bieten daher auch allen unseren Beschäftigten (insbesondere in der Patientenversorgung) – und dazu gehören auch die am UKD eingesetzten Studierenden – psychosoziale Unterstützung durch eine Onlineberatung durch erfahrene Therapeuten an.

Die Medizinstudierenden, die uns unterstützen, werden entsprechend ihrer Qualifikationen und Vorerfahrungen eingesetzt und eingearbeitet. Einige haben vor ihrem Studium bereits eine abgeschlossene medizinische Ausbildung absolviert und sind beispielsweise Fachkrankenschwester oder -pfleger für Intensivmedizin und können dann nach Einarbeitung entsprechend eingesetzt werden. Aber auch Studierende mit wenig praktisch-klinischer Erfahrung können unterstützen, indem sie beispielsweise administrative oder logistische Aufgaben übernehmen.

Kann man die Arbeit der Pfleger/innen und Ärzt/innen irgendwie unterstützen, was wird am meisten gebraucht? Und könnten auch Studierende anderer Fächer und Hochschulen, nicht nur der Medizin, in einer Art „Corona-Sozialsemester“ die Situation über den Sommer hinweg unterstützen?

Die größte Angst der Pflegenden und Ärzte ist sicherlich die Angst vor fehlender Schutzausrüstung, die derzeit überall Mangelware ist. Hier ist die Politik gefordert, schnell Lösungen zu finden.

Aber auch jeder einzelne Bürger kann unterstützen und seinen Beitrag leisten, indem er umsichtig handelt und das Gebot des „physical distancing“ beherzigt.

Also grundsätzlich ist jede Unterstützung hilfreich. Wieviel davon gebraucht wird, hängt von der weiteren Entwicklung ab. Wir können noch nicht absehen, wie die Situation im Sommer sein wird. Wir hoffen alle, dass wir die zusätzlichen Kräfte vielleicht gar nicht brauchen werden. Sicher sein, können wir da leider nicht.

Wir danken Herrn Prof. Schneider ganz herzlich für das Gespräch!

Wissensregion Düsseldorf